INFORMATIONEN FÜR DAS TOP-MANAGEMENT DER MEDIEN-INDUSTRIE
08.02.2025

Die Content-Vermarktung entscheidet

09.12.2024
Bild vergrößern

Keine einfache Situation im Istzustand der Tageszeitungs-Redaktionen. Diese muss immer mehr mit immer weniger verfügbarem qualifiziertem Personal arbeiten. Sie müssen immer mehr Kanäle bedienen, immer mehr Formate generieren, immer mehr und immer schneller Veröffentlichungen ermöglichen.
Die Anforderungen an publizierte Inhalte steigen ständig weiter an.  24/7 reaktionsfähig sein; Themen nach User Needs definieren und realisieren. Mit neuen Arbeitsmodellen wie Home Office wird diese Aufgabe organisatorisch eine große Herausforderung werden.
Bei weiter sinkenden Print-Umsätzen werden Investitionen in den Medienhäusern noch schwieriger werden. Auf dem derzeitigen Stand der Erlös-Qualität von reinen Online-Umsätzen kann auf die Print-Erlöse nicht verzichtet werden.
Auch bei den Öffentlich-rechtlichen Sendern regieren umfassende Sparzwänge, die Wünsche und Anforderungen konterkarieren.
Der Erfolg kann nur mit hochqualifiziertem Personal gewährleistet werden. Über alle erforderlichen Sparten, Text, Bild, Video, Podcast, Mediengestaltung hinweg. Wegen deutlich weniger Bewerbungen haben die Verlage die einst hohen Ansprüche bei der Auswahl des journalistischen Nachwuchses spürbar gesenkt. Seltener als früher können junge Journalisten für die neue multimedial arbeitende Redaktion nach sorgfältiger Auswahl herangezogen werden. 

Online- und Print-Redaktion war gestern
Die Kluft zwischen der kargen Realität und den hohen Ansprüchen des Marktes sowie der Verlagsleitungen und Redaktionsmanager erzeugt eine täglich spürbare Spannung in den Newsrooms. Sie verschleißt die Channelmanager ebenso wie die Reporter. Gepaart mit der Frage nach den Perspektiven der Medien sorgt das für immer neue Abgänge von Journalisten in die PR und andere Berufsfelder.
Gleichzeitig wird – aus gewohnter jahrzehntelanger Tradition – noch immer sehr viel Zeit und Energie in das Generieren von Standardtexten gewidmet. Selbst Texte, die absehbar kaum Leser finden, werden nach althergebrachten Gepflogenheiten ressourcenbindend realisiert.
Für Klicks und Lesetiefen sind Zeilen und Teaser von Texten entscheidend. Zeilen sind viel wichtiger als in Print geworden. Die Mehrzahl der Autoren und selbst viele Channelmanager tun sich heute noch sehr schwer damit.

Das Archiv – ein großer Wissens-Schatz
Die Redaktionen nutzen ihr eigenes Archiv-Gold nicht. Recherche beginnt deshalb zu oft bei Zero. Vorhandenes Wissen ist nicht bekannt, verschüttet oder nicht leicht genug erschließbar. Stattdessen regiert reflexhaftes, zeitraubendes und ineffizientes Googeln. 

Die neue Aufbau-Organisation
Bei meinem Besuch bei der „New York Times“ konnte ich viel dazu lernen. Viel tägliche Begeisterung für die Zeitung. Alle Leistungsträger – Redaktion, Verlags-Manager, Marketing-Experten, Digital-Profis und Techniker werten über das tägliche Data-Mining die letzte Nummer des Vortages über Data-Mining aus. Und streiten gleichberechtigt und oftmals erbittert im Wettbewerb der besten Idee für die neue Zeitung des aktuellen Tages.
Täglich.

Wie sieht die aktuelle Situation im deutschsprachigen Raum aus?
Zu viele Newsrooms haben nur Journalisten in neuer Organisationsform gruppiert anstatt zusätzlich zu Journalisten bewusst viele und auch neue Berufsfelder in Teams zu vereinen. Webentwickler, Datenanalysten und Conversionmanager etwa sind in Newsrooms gar nicht vertreten oder nur Randfiguren. Selbst in Onlineredaktionen fremdeln zu viele Journalisten mit technischen Themen und dem Vermarkten von Content.
Die Redaktionssysteme in den Newsrooms sind noch entwicklungsfähig und an die neue Zeitungsorganisation in enger Zusammenarbeit mit den Software-Partnern anzupassen.  In der Regel normieren und erschweren sie die Arbeit der Journalisten. Zu wenig geht einfach, zu vieles ist kompliziert. Etliche Redaktionssysteme hemmen die digitale Entwicklung, weil ihre DNA noch immer printgeprägt ist. Ein rein schematisches Anflanschen von KI-Lösungen an diese archaischen Systemwelten wird diese Spannung noch erhöhen.

Künstliche Intelligenz – so viel mehr
Zu viele Redaktionen sehen KI lediglich als interessantes Tool, das in ihre gewohnte Arbeitsweise integriert wird.  
Allerdings muss beachtet werden, dass die redaktionelle Aufbauorganisation die Notwendigkeit beinhaltet, sich völlig neu aufzustellen.
Newsrooms und Redaktionen insgesamt sollten die geplante Nutzung von KI zum Anlass für ein radikales Gedankenexperiment nutzen: Wie würden wir uns aufstellen und arbeiten, wenn wir unser Medium jetzt neu gründen würden – im Wissen um alle Möglichkeiten, die sich jetzt bieten?
Redaktionen, die KI klug nutzen wollen, sollten folgende Strategie realisieren: Für alle Standardprozesse muss der Aufwand mit und dank KI deutlich reduziert werden. Die dadurch frei werdenden Ressourcen werden konsequent nur für Aufgaben investiert, die auf Kernziele einzahlen. Und auch dabei wird KI gezielt eingesetzt.

Wie kann es zielführend weitergehen?
Die Bedeutung der Suchmaschinen wächst weiter. Es ist normal geworden, dass User auch bei der Nutzung von Medieninhalten KI einsetzen – als effizientes Instrument bei der gezielten Suche oder als integriertes Tool von Suchmaschinen.
KI hat die Rolle und Relevanz von Medienportalen weiter geschwächt. Sie werden noch seltener direkt und regelmäßig angesteuert. Search über Suchmaschinen dominiert; die Portale sind faktisch mehr zum Image-Instrument der Verlage und Sender geworden. Ihre erhoffte Rolle als Eingangstor zum umfangreichen Informationsangebot hat sich immer mehr als internes Wunschdenken erwiesen. Die KI hat faktisch die Rolle von Mediendiensten übernommen. Immer mehr User füttern KI-Tools mit ihren persönlichen Informationswünschen zu Themenfeldern und Regionen, die KI liefert ihnen den individuellen Informationsmix im gewünschten Rhythmus und in der gewünschten Tiefe.

KI wird für alle einfach
 Schwierige Anfragen im Netz sind für den Normal-User zu einfachen Fragen im Siri-Stil geworden. Fragen wie „Was gibt es heute Neues aus dem Kreis Mannheim oder Frankfurt?“ sind normal und werden von den Suchmaschinen umfassend beantwortet.  Diese neue Generation der Suchmaschinen konkurriert damit direkt mit den Medienportalen.

Unbezahlter Content ist 24/7 verfügbar
KI beeinflusst die Paid-Strategien der Medienhäuser massiv. Inhalte hinter den Paywalls werden im Originaltext oder über Zeilen, Teaser, SEO-Angaben, Social Media und Re-Postings durch User ausgelesen und distribuiert, ohne dass die Medienhäuser das in ihrem Sinne steuern oder gar kontrollieren können.
Dagegen gibt es ein – nicht einfacher gewordenes – Rezept: 
Die Medienorganisationen haben erkannt, dass das gedankenlose Verteilen von im Netz gefühlt überall verfügbaren Informationen weder wirtschaftlich Sinn macht noch auf ihren Markenkern einzahlt. 
Sie setzen stattdessen auf Inhalte, die nur sie so generieren können. Relevante Inhalte aus den Lebensumfeldern der User (Lebensinteressenszonen wie Städte, Stadtteile, Regionen oder Pendlerbezüge) sind immer wichtiger geworden. 

Mit reiner News-Vermarktung ist kein Geld zu machen
KI hat den Trend verstärkt, dass reine Nachrichten zwar stark konsumiert werden, aber kaum wirtschaftlich vermarktbar sind. Einordnungen, Kommentierungen, Vertiefungen, Recherchen und Investigatives hingegen haben weiter an Bedeutung für Umsatz und Reputation der Medien gewonnen. Autoren mit klar definiertem Profil und offensiver Präsenz in Social Media sind für Medienmarken wichtiger 
denn je. 
 Gute Redaktionen lenken ihre Kraft in Inhalte, die nur sie so liefern können. 
Die Redaktion der Zukunft arbeitet mit erstklassigen Journalisten, Medien-Designern, KI-Experten, Technikern über alle Medienkanäle hinweg proaktiv und mit Begeisterung für die tägliche Zeitung zusammen.
Tristesse war dann gestern.
Um das geht es wohl. 
-karma-

» drucken
« zurück
© PreMedia Newsletter Titelgeschichte - PreMedia Newsletter, Informationen für die Medien-Industrie